PD Dr. Christoph Rass, Professur für Neueste Geschichte
Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück
IMIS-Beiträge, Themenheft:
Die Szenographie der Migration in stadt- und regionalgeschichtlicher Ausstellungspraxis
PD Dr. Christoph Rass, Professur für Neueste Geschichte
Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück
In der inzwischen mehr als ein Jahrzehnt anhaltenden Debatte über die Frage, ob es in Deutschland ein zentrales Migrationsmuseum geben soll, ist deutlich geworden, dass es viele gute Ideen und Konzepte für einen solchen Ort gibt, der politische Wille aber fehlt. Inzwischen entstehen Angebote, die diese Lücke auf ihre Weise füllen, so etwa im Bremerhavener Auswandererhaus, in der Hamburger Ballinstadt oder im Grenzdurchgangslager Friedland. Darüber hinaus sind Ausstellungen zu Migration und Integration in den vergangenen Jahren in vielen überregional bedeutenden Zusammenhängen und insbesondere auch in Häusern mit nationaler Bedeutung entstanden, während sich das DOMiD als Institution etablieren konnte, die den Gedanken eines Migrationsmuseums lebendig hält und eine bedeutende protomuseale Sammlung in diesem Kontext schafft. Auch die Forschung hat sich in den Diskurs um Migrationsmuseen eingebracht und eine wachsende Zahl von Studien vorgelegt, die Konzepte, Institutionalisierungsprozesse und Ausstellungspraktiken analysieren.
Parallel und teilweise hinter diesem Geschehen verborgen haben sich Praktiken der Repräsentation von Migrationserfahrung in Ausstellungen mit regionalem Bezug entwickelt, die manchmal dauerhaft, viel häufiger jedoch mit temporärem Charakter Migrationsgeschichte in die Aushandlung regionaler Identitäten einschreiben. Seit den späten 1980er Jahren findet die Auseinandersetzung mit dem Selbstverständnis einer „modernen Migrationsgesellschaft“ (Bade) über solche Ausstellungsprojekte in örtlichen Rahmungen mit sehr konkreten Bezügen statt. Die Szenographie der Migration auf dieser Ebene reicht damit sehr viel weiter zurück als jede Überlegung zu einer „nationalen“ Musealisierung der Migration und umfasst den bei weitem größten Teil aller Versuche, Migration in Ausstellungen zu reflektieren. Ihre Akteure sind in hohem Maß heterogen und ihre Beiträge zu Aushandlungen über Einwanderung, Auswanderung und Zugehörigkeit sehr unterschiedlich motiviert und umgesetzt. Dabei hat sich in den letzten Jahren die Integration des Themas in stadtgeschichtliche Perspektiven als besonders dynamisch und fruchtbar erwiesen. Dies nicht nur mit Blick auf Sonderausstellungen, sondern vermehrt auch durch die Aufnahme der Migrationsgeschichte in Dauerausstellungen. Begleitend ist auch hier eine Forschungslage entstanden, die sich durch Fallstudien, viel mehr noch aber durch museologische, ausstellungstheoretische und didaktische Überlegungen und Ansätze auszeichnet. „Interkulturelle Öffnung“ und „Mainstreaming“ von Migration, Integration und Diversität sind vielerorts unumkehrbar zu Paradigmen von Museumsarbeit und Ausstellungspraxis geworden.
Das für Ende 2015 geplante Themenheft der IMIS-Beiträge will dieses Feld mit Texten vermessen, deren Autorinnen und Autoren die Szenographie der Migration auf stadt- oder regionalgeschichtlicher Ebene diskutieren.
Themenvorschläge sind besonders willkommen, die hierzu
- die Ausstellungspraxis selbst historisieren und ihre Entwicklung in den Blick nehmen;
- nach Sammlungsbildung durch Ergänzung und Neubewertung fragen;
- die Spezifika von Dauer- und Sonderausstellungen diskutieren;
- theorieorientierte Überlegungen aus didaktischer oder museologischer Perspektive vorstellen;
- interdisziplinäre Vorschläge zur Musealisierung von Migration machen, die vornehmlich historische Narrative aufbrechen;
- Modelle partizipativer Hervorbringung von Ausstellungen in der Migrationsgesellschaft reflektieren und die sich damit verändernde Rolle von Experten thematisieren;
- die Repräsentation von Migrantinnen und Migranten in Ausstellungen analysieren;
- vergleichende Perspektiven über den deutschen Kontext hinaus oder zu anderen Prozessen bieten, in denen sich hegemoniale Diskurse in Ausstellungen und Museen verändern.
Fallbeispiele, die mit starkem Bezug zu diesen oder anderen übergeordneten Fragestellungen diskutiert werden, sind ebenso erwünscht wie Beiträge, die auf theoretischer Ebene oder modellorientiert argumentieren. Rein narrative Darstellungen einzelner Ausstellungsprojekte können indes keine Berücksichtigung finden.
Interessierte Autorinnen und Autoren bitten wir, bis zum 28. Februar 2015 eine kurze Skizze von max. 500 Wörtern sowie kurze biografische Angaben einzureichen. Eine Benachrichtigung der Autorinnen und Autoren angenommener Themenvorschläge erfolgt bis zum 15. März 2015. Die Abgabe der Beiträge im Umfang von bis zu 60.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen und Anmerkungen) wird zum
15. August 2015 erwartet.
Das Themenheft wird voraussichtlich im Dezember 2015 erscheinen.
Die eingereichten Beiträge prüfen vom Wissenschaftlichen Beirat und vom Vorstand des IMIS benannte Gutachter.
Bitte senden Sie Ihre Themenvorschläge unter dem Betreff „IMIS-Beiträge: Szenographie der Migration“ an Jutta Tiemeyer [
Inhaltliche Rückfragen richten Sie bitte an:
Universität Osnabrück
Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien
PD Dr. Christoph Rass [
Neuer Graben 19/21
49069 Osnabrück